Diagnose einer Lernstörung
… endlich Klarheit!
„Ich kann das nicht!“ „Ich bin doof!“ „Ich lerne das nie!“
Viele Eltern haben das schon von ihrem Kind gehört. Das Kind leidet unter den Misserfolgen, fühlt sich minderwertig und dumm. Es kann abends nicht einschlafen, verliert den Appetit oder hat morgens vor der Schule Bauchweh.
Vielleicht zieht es sich von seinen Schulfreunden zurück oder es kaspert im Unterricht herum, um von seinem Problem abzulenken. Das wiederum ruft die Lehrkraft auf den Plan. „Sie müssen zuhause strenger sein und mehr üben, dann klappt das auch.“
Das Üben zuhause hilft aber nicht. Im Gegenteil. Es gibt Streit und Tränen. Und in der Klassenarbeit sind trotzdem weiterhin viele Fehler. Für die ganze Familie ist das eine große Belastung.
Eine fachärztliche Diagnose ist da meist eine Erleichterung – sowohl für das Kind als auch für die Eltern. Das Kind weiß nun, dass es nicht schuld ist, und die Eltern haben endlich Klarheit.
Darüber hinaus ist eine medizinische Diagnose erforderlich, wenn die Kostenübernahme der Lerntherapie nach §35 a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) beantragt werden soll. Neben der Feststellung einer Legasthenie oder Dyskalkulie muss eine (drohende) seelische Behinderung vorliegen.
Kinder mit Legasthenie und Dyskalkulie sollten möglichst frühzeitig erkannt und differenziert diagnostiziert werden, damit sich keine psychischen Störungen daraus entwickeln.
Michael von Aster, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der DRK Kliniken Berlin
Wer diagnostiziert?
Die medizinische Diagnose einer Legasthenie oder Dyskalkulie nach ICD-10 (Internationales Klassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation) wird bei Kindern und Jugendlichen durch Fachpraxen oder -kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Kinder- und Jugendneurologie oder Kinder- und Jugendpsychotherapie gestellt. Die Kosten der Diagnose übernimmt die Krankenkasse.
Bei Erwachsenen dürfen Psychiater*innen oder psychologische Psychotherapeut*innen eine medizinische Diagnostik vornehmen. Oft ist es allerdings nicht einfach, jemanden zu finden, der Erfahrung auf dem Gebiet hat und bereit ist, eine Diagnose durchzuführen.
Was wird getestet?
Grundsätzlich ist bei Legasthenie und Dyskalkulie erst ab der 2. Klasse eine fundierte Diagnosestellung nach einem sogenannten multiaxialen Diagnoseschema mit 6 Achsen möglich.
Im Gespräch werden folgende Informationen erfragt:
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Entwicklung des Kindes, speziell hinsichtlich der schulischen Fähigkeiten (Noten, Dauer der Hausaufgaben usw.)
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Familiengeschichte in Hinblick auf eine erbliche Lernstörung
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psychische Verfassung des Kindes hinsichtlich depressiver Verstimmung, Schulangst, psychosomatischer Störungen (Bauchweh, Schlafstörungen)
Zusätzlich ist ein Bericht der Schule zum aktuellen Leistungsstand, zur Lernentwicklung und zur sozialen Integration des Kindes im Klassenverband nötig.
Wichtig ist es zudem, organische Gründe wie z. B. Seh- oder Hörstörungen als Ursache für die Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen auszuschließen. Auch eine allgemeine Einschränkung der Lernfähigkeit muss von einer Legasthenie oder Dyskalkulie abgegrenzt werden.